Ich hatte grosse Hoffnungen für den Dezember.
Ich hatte gewusst, es würde kein ganzes Buch werden, kein vollständiger Roman, der in den 30 Tagen im November unter meinen Fingern entstehen würde. Jetzt habe ich in nur 28 Tagen über 50’000 Wörter geschrieben, und es ist genau so gekommen.
Es ist sogar noch schlimmer: Es gibt kein vollständiges erstes Kapitel. Es gibt keine schöne Zusammenfassung. Es gibt nicht einmal einen roten Faden, nichts, was mir helfen würde, die umgerechnet über 150 Seiten eines Buches zu ordnen. Es gibt nur eine schier unglaubliche Menge Text, soviel, wie ich noch nie in so kurzer Zeit geschrieben habe, und eine gigantische Angst davor, meine eigenen Gedanken nachträglich ordnen zu müssen.
28 Tage lang habe ich mich freiwillig dem Regime von NaNoWriMo unterworfen, jeden Tag mindestens 1’667 Wörter zu schreiben, damit diese Menge möglich wird, und tatsächlich: Das Wunder ist geschehen. Und, ja: Ich bin stolz. Zumindest mal war ich das an Tag 28, als ich erschöpft war und glücklich darüber, dass mich NaNoWriMo deshalb offiziell zum Gewinner erklärt hat.
Jetzt, nach fünf Tagen ohne den Zwang, täglich Menge zu produzieren, nagt etwas Schwarzes von innen und höhlt den Stolz aus. Irgendetwas schreit danach, die Finger weiterhin über die Tastatur fliegen zu lassen, wenigstens irgendwas zu schreiben, und wenn ich schon nicht weiss, wie diesen Haufen Notizen ordnen, dann wenigstens darüber schreiben, wie es war zu schreiben.
In diesem November habe ich zum ersten Mal nicht vorher lange überlegt, dann noch ein wenig recherchiert, um am Ende des Tages zu müde zu sein, um noch etwas zu Papier zu bringen. Ich habe genau das Gegenteil getan. Ich habe Dinge zu Papier gebracht, von denen ich nicht wusste, dass ich sie würde schreiben wollen, bis meine Figuren genau dieses Erlebnis brauchten, genau von diesen Erfahrungen erzählen wollten. Manchmal musste ich nur hinhören und mitschreiben. Das war wundervoll.
Nicht ganz so wundervoll ist die leise Ahnung, dass unter den vielen Szenen auch schöne sind, die trotzdem nie den Weg in das Buch finden werden. Das Buch, von dem ich zwar inzwischen so halbwegs weiss, wie es enden könnten, aber immer noch herausfinden muss, wann es eigentlich anfängt. Denn, nein, ich habe nicht vor euch mit endlosen Rückblenden zu langweilen, und meine Hauptfigur wird sich auch nicht während der Handlung zwischendurch auf die Couch eines Analytikers zurückziehen, damit sie von ihrer Jugend erzählen darf.
Wie viel werde ich herausschneiden müssen?
Diese Frage werde ich auch noch einen Moment unbeantwortet lassen. Denn erst einmal müsste ich eine Leitplanke finden, die mir sagt, was reingehört und was nicht. Ich hoffe, dabei hilft mir gerade James N. Frey mit seinem bezaubernden How-to-Rundumschlag durch die Geschichte der dramatischen Theorie mit dem noch bezaubernderen Titel: How to Write a Damn Good Novel: A Step-by-Step No Nonsense Guide to Dramatic Storytelling. (Ja, ja, amerikanischer geht’s nicht, aber wenn die Geschichte schon in New York spielt…)
Das aber heisst, für alle, die schon darauf warten: Sorry. Es gibt kein Buch von mir zu Weihnachten. Nicht dieses Jahr. Und vielleicht sogar nicht einmal den klitzekleinsten Ausschnitt einer Szene, die es dann möglicherweise doch nicht ins Buch schafft.
Vielleicht aber doch.
(Und wenn, dann hier.)
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Foto: Shriram Rajagopalan (under a creative commons license bei Flickr.)
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